Nachteilsausgleich bei einer Dyskalkulie? Das geht doch gar nicht! Oder doch? Du bekommst hier ganz konkrete Tipps für einen individuellen Nachteilsausgleich. Dabei können es kleine Dinge sein, die für den Schüler den Unterschied machen.

Ein Flickenteppich an schulrechtlichen Regelungen bei einer Dyskalkulie

In Deutschland gibt es leider keine einheitlichen schulrechtlichen Regelungen im Umgang mit einer Dyskalkulie. Übergreifend für alle Bundesländer gibt es Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK), die jedoch sehr allgemein gehalten sind. Der KMK-Beschluss von 2007 sieht die Schulen in der Pflicht, „Lernschwierigkeiten frühzeitig zu erkennen, um die Förderung möglichst frühzeitig zu beginnen und einen individuellen Förderplan entwickeln zu können“.
Der Alltag an Schulen sieht oft anders aus. Wenn Lehrerressourcen fehlen, können Förderstunden nicht durchgeführt werden und Eltern müssen meist auf außerschulische (kostenpflichtige) Angebote zurückgreifen.

Aus diesen allgemeinen KMK-Empfehlungen (Kultusministerkonferenz) sind innerhalb vieler Bundesländer spezifische eigene schulrechtliche Regelungen entstanden, in denen Unterstützungsmöglichkeiten für Schüler beschrieben sind. Einige Bundesländer haben sogenannte Verwaltungsvorschriften (wie z.B. Baden-Württemberg), bei anderen, z.B. in Berlin, sind die Regelungen im Schulgesetz (z. B. GsVO für Berlin) verankert. In anderen Bundesländern gibt es leider gar keine schulrechtlichen Regelungen zum Nachteilsausgleich bei einer Dyskalkulie.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Dyskalkulie in den Empfehlungen der KMK enttäuschenderweise keine ausreichende Berücksichtigung findet. Das muss sich ändern, folgende Petition der Jungen Aktiven (vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie) ist vor kurzem ins Leben gerufen worden, die darauf aufmerksam machen möchte, dass hier dringender Handlungsbedarf ist.

17 einfache Ideen, um Schüler mit einer Dyskalkulie innerschulisch zu unterstützen:

Rechenkästchen, Würfel und Stellenwerttafel – kleine Hilfsmittel, die Großes bewirken können

17 konkrete Ideen für einen Nachteilsausgleich bei einer Dyskalkulie

Aber was ist denn jetzt konkret möglich? Wie kann ein Nachteilausgleich bei einer Dyskalkulie gestaltet werden? Denn es gibt viel mehr Möglichkeiten als nur die Verlängerung der Arbeitszeit

    1. Differenzierte Hausaufgaben 
       angepasst an den Leistungsstand des Schülers (erhöht die Motivation des Schülers)

       kürzere Hausaufgaben (bietet die Möglichkeit, Grundlagen aufzuholen oder spielerisch diese zu vertiefen)
    2. Schriftliche Arbeiten: Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, sortiert nach aufsteigender Schwierigkeit
    3. Bewertungen nicht nur für richtige Endergebnisse, sondern auch für Zwischenergebnisse und erkennbare Lösungswege
    4. Aufgaben durch Bilder und Grafiken veranschaulichen
    5.  Textaufgaben: Textvereinfachung, kurze Sätze, Konzentration auf das Wesentliche
    6. Vorstrukturierung der Arbeitswege (bei der schriftlichen Addition/Subtraktion: Hinweis auf Hunderter, Zehner, Einer) oder auch Hinweise, welcher Schritt kommt zuerst, welcher danach
    7. Platz für Nebenrechnungen (um Zwischenschritte zu notieren und das Arbeitsgedächtnis zu entlasten)
    8. Motivierende Bemerkungen zu richtigen Lösungen und Lösungsansätzen
    9. Strategiekärtchen („Spickzettel“)
       werden unterrichtsbegleitend erstellt – die Lehrkraft überprüft diese Kärtchen vor der Arbeit

       eine Art Checkliste, wie muss ich vorgehen, dadurch: emotionale Stärkung des Schülers 
    10. Hilfsmaterialien
       Zahlenstrahl, Dienes Material, Stellenwerttafel, Mengenbilder, Formelsammlung, 1×1 Tabelle

       können im Klassenzimmer allen Schülern zur Verfügung gestellt werden – reduziert die Hemmschwelle, das Material auch wirklich zu verwenden
    11. Technische Hilfsmittel (mehr Infos siehe weiter unten)
       elektronische Geräte (Taschenrechner, digitale Uhr, sprechende Uhr, slow-watches Uhr)

       Computerprogramme/Apps
    12. Nachteilsausgleich auch für andere Fächer gewähren (z.B. Physik, AES – Alltag, Ernährung, Soziales – hier geht es auch um Maße und Gewichte)
    13. größere Kästchen (hilft einigen Schülern z.B. beim schriftlichen Rechnen)
    14. Anpassung der äußeren Rahmenbedingungen
       Vorne oder allein sitzen

       Ruhige Räumlichkeit für schriftliche Arbeiten, Hörschutz
    15. Stärkere Gewichtung der mündlichen oder praktischen Leistungen
       Kompakte mündliche Leistungen, wie Referate, Präsentationen

       Thematisch identische mündliche statt schriftliche Leistungskontrollen
    16. pädagogischen Ermessensspielraum nutzen –  mutig, kreativ und individuell:  Lösungen, die für den jeweiligen Schüler einen Unterschied machen
    17. Austausch mit anderen Experten zum Thema Nachteilsausgleich
       intern: im Lehrerkollegium

       extern: mit Lerntherapeuten, Berücksichtigung der Empfehlungen des Diagnostikers

Hilfsmittel/unterstützende Technologien bei Dyskalkulie

Schüler und Jugendliche mit Dyskalkulie haben nicht nur Schwierigkeiten in der Schule, sondern auch im Alltag. Es gibt verschiedene Hilfsmittel, Apps und elektronische Geräte, die das Leben erleichtern können.
Auch am Arbeitsplatz können Hilfsmittel dazu beitragen, weniger Fehler zu machen. Für Handwerker gibt es z.B. die Bosch Toolbox App
Jedes Hilfsmittel und jede App sollte vorab gut eingeübt werden. Aber es lohnt sich, verschiedene Apps auszuprobieren und sich dann davon das Beste herauszupicken. Einige möchte ich hier gerne vorstellen. Diese Übersicht stellt nur einen kleinen Ausschnitt dar, denn die Auswahl ist riesig.

  • Handschrift-Rechner: My script calculator. Diese App ist wie ein Taschenrechner, nur gebe ich alles manuell ein, auf einem Tablet mit Stift und kann somit mathematische Aufgaben schnell lösen (lassen).
  • Photomath oder Socrativ: Mathe Apps, um Rechnungen zu fotografieren und den Lösungsweg anzeigen zu lassen
  • Einheitenumrechner: hilfreich fürs Kochen oder Backen

Wissenschaftliche Leitlinie Rechenstörung

Die medizinische S3-Leitlinie Rechenstörung aus dem Jahr 2018 enthält klare Empfehlungen zum innerschulischen Nachteilsausgleich:

„…Ein zusätzlich gewährter Nachteilsausgleich in Kombination mit Fördermaßnamen ermöglicht, je nach Schweregerad einer Rechenstörung, die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht. Die Benotung ist bei vorhandener Diagnose einer Rechenstörung daher am besten auszusetzen oder geringer zu gewichten. Schlechte Benotung und dauerhafte schulische Misserfolgserlebnisse aufgrund einer Rechenstörung können zu Frustration und sozial-emotionalen Problemen führen, die sich zu einer behandlungsbedürftigen Mathe- oder Schulangst entwickeln können (Ise & Schulte-Körne, 2013). Der Erfolg einer Förderung wird dadurch deutlich beeinträchtigt und die schulische Entwicklung gefährdet… .“

Kreative Lösungen kennen keine Grenzen – sie erfordern nur Mut

Auch wenn nicht überall schulrechtliche Regelungen im Umgang mit einer Dyskalkulie vorliegen, gibt es immer noch den pädagogischen Ermessensspielraum, den Lehrer ausschöpfen können und dürfen. Jeder Schüler ist individuell und genauso individuell sollte ein Nachteilsausgleich sein. Manchmal helfen schon die kleinen Dinge.

 

Hast du Ergänzungen, Tipps, Hinweise zum Nachteilsausgleich Dyskalkulie? Wie läuft es bei dir oder deinem Kind oder bei deinen Schülern? Hinterlasse gerne einen Kommentar unter diesem Beitrag.

Abonniere auch gerne meinen Newsletter und verpasse keine Tipps rund ums Lernen mehr.

Ja, ich freue mich drauf

 

 

 

4 Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert