Momentan sind die Möglichkeiten an einer Schule als Lerntherapeut über „Lernen mit Rückenwind“ (gilt für Baden-Württemberg) und über das Startchancenprogramm (gilt für ganz Deutschland) tätig zu werden, sehr gut. Denn nicht jeder Lerntherapeut kann oder möchte nachmittags arbeiten. Wer eigene Kinder hat, arbeitet manchmal lieber am Vormittag. Aber was muss ich beachten, wenn ich an einer Schule arbeiten möchte? Wie komme ich ins Gespräch mit den Schulen? Und ist die Förderung dort dann überhaupt noch Lerntherapie, die ja sonst klassisch im Einzelsetting stattfindet und in der Schule eher in Kleingruppen.

Viele meiner Tipps zum Ablauf beziehen sich speziell auf das Bundesland Baden-Württemberg, insbesondere die Links und Informationen zur Registrierung als Kooperationspartner. Die übrigen Hinweise sind jedoch allgemein nutzbar und können Lerntherapeuten in allen Bundesländern dabei unterstützen, erfolgreich an Schulen zu starten.

Ist das noch eine integrative Lerntherapie?

Bei einem unserer letzten Austauschtreffen mit Lerntherapeuten aus ganz Baden-Württemberg, die an Schulen tätig sind, wurde es spannend: Wir diskutierten kontrovers über die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen. Eine zentrale Frage war: Darf ich überhaupt noch von Lerntherapie sprechen, wenn ich in Kleingruppen arbeite und präventiv fördere? Oder ist es sinnvoller, im schulischen Kontext den Begriff Lerntherapie beiseitezulassen und stattdessen von Lernförderung zu sprechen? Diese Debatte zeigt, wie vielfältig und vielschichtig die Arbeit an Schulen sein kann – und wie wichtig ein klarer Rahmen für unsere Tätigkeit ist.

Meine Meinung: Natürlich ist das Lerntherapie. Es gibt nicht die eine Form von Lerntherapie in der Schule, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Projekten mit unterschiedlichen Rahmenbedingen.

Pionierarbeit an Schulen, die sich lohnt

Ich bin der Meinung, dass die Grenzen zwischen Lerntherapie und schulischer Förderung manchmal fließend sind, dennoch lassen sie sich auch klar abgrenzen. Wenn ein anderer Begriff für den schulischen Kontext gewählt wird, hätte das einige Vorteile (Therapie ist manchmal negativ besetzt), aber wäre dann auch klar, dass hinter der Lernförderung ein integrativer Lerntherapeut steckt? Dass es sich um eine individuelle, ressourcenorientierte und evidenzbasierte Förderung handelt? Dass es keine klassische Nachhilfe ist? Vielleicht wäre es dann geschickt, von lerntherapeutischer Förderung zu sprechen. Aber egal, welche Begriffe wir verwenden, viel wichtiger ist die Frage:

  • Wie erreiche die Schüler, die unsere Unterstützung benötigen?
  • Welche Hilfen sind wichtig, um Kinder mit Lernstörungen, mit einer LRS oder Rechenschwäche bereits innerschulisch zu fördern?
  • Wie bekommen Schüler Unterstützung, ohne dass sie einen Marathon an Arztterminen hinter sich bringen müssen, damit die außerschulische Förderung übers Jugendamt bewilligt wird?

Meistens vergeht bis dahin viel Zeit. Zeit, die für eine Förderung so dringend nötig wäre und Zeit, die wichtig wäre, bevor die emotionalen Belastungen des Schülers immer größer werden.

Man muss sich bewusst sein, dass man als Lerntherapeut an Schulen Neuland betritt. Das Berufsbild des Lerntherapeuten ist nicht geschützt ist und es gib viele Wege, Lerntherapeut zu werden. Meistens wissen Schulleitungen oder Lehrkräfte oft nicht, was ein Lerntherapeut überhaupt macht, was seine Aufgaben sind und wie er an Schulen unterstützen kann.
Das heißt, man ist einem Umfeld, wo man neue Wege geht. Das birgt große Chancen und viele Gestaltungsmöglichkeiten, aber benötigt auch viel Aufklärungsarbeit.

BW: So registrierst du dich für Lernen mit Rückenwind/ das Startchancenprogramm 

Um dich als Kooperationspartner an Schulen zu registrieren, sind folgende Schritt nötig:

  • Registriere dich als Kooperationspartner auf der Seite von Lernen mit Rückenwind oder über die Seite vom Startchancenprogramm (von beiden Seiten kommst du auf dieselbe Registrationsseite) und schließe einen Rahmenvertrag (Kooperationspartner) ab.
Hier geht es zur Registrierung: als pädagogische Assistenzkraft oder als Kooperationspartner
  • im nächsten Schritt legst du ein Konto an: bei  Lehrer Online in Baden-Württemberg (LOBW UP)
  • nach erfolgreicher Registrierung bekommst du von LOBW UP eine Aufforderung zum digitalen Abschluss einer Rahmenvereinbarung
  • nachdem diese Rahmenvereinbarung geprüft und dann digital von dir unterschrieben wurde, wirst du auf einem digitalen Marktplatz für Schulen sichtbar
  • die Schulen kommen in der Regel auf dich zu, aber wenn du schon Kontakte zu Schulen in der Vergangenheit hatte, kann man diese auch gezielt ansprechen
  • lege Aufgabenschwerpunkte im Gespräch mit der Schule fest: Einzelförderung/Gruppenförderung, Schwerpunkte der Förderung, Durchführung der Förderdiagnostik, mit welchen Materialien, was ist mit Vor- und Nachbereitung, Elternkontakt, Austausch mit den Lehrkräften, wie findet er statt und wird diese Zeit auch vergütet etc.
  • Sachkosten: können auch abgerechnet werden, wie Fortbildungen, Coaching- und Supervisionsangebote für Lehrkräfte, Referenten für Pädagogische Tage,
    einmalige Kooperationspartner in Projektwoche

BW: Wie sieht die Vergütung aus?

Im Rahmen von Lernen mit Rückenwind wurden in den letzten drei Jahren immer wieder Anpassungen an den empfohlenen Stundensätzen vorgenommen. Zuletzt lag der Stundensatz für Kooperationspartner zwischen 20 und 80 Euro, wobei ein Richtsatz von 60 Euro empfohlen wurde. Diese Information war auf der Website des Programms zu finden.

Mittlerweile wird jedoch auf der Website darauf hingewiesen, dass die Vergütung auf Basis der marktüblichen Preise erfolgt und als pauschale Kostenerstattung berechnet wird. Es gibt nun keine konkreten Empfehlungen mehr für einen bestimmten Stundensatz. Es ist daher ratsam, mit den Schulen die Vergütung individuell zu verhandeln.

Mein Tipp: Verkaufe dich nicht unter Wert!

Wenn du wissen möchtest, wie andere Lerntherapeuten in BW und in ganz Deutschland arbeiten, dann schau dir meine Praxisbeispiele an.

Für ganz Deutschland: Tipps für den Start an einer Schule

Wenn du eine Schule gefunden hast, an der du tätig werden möchtest, dann habe ich für den Start ein paar Tipps für dich.

1. Stelle dich im Lehrerkollegium vor:
Nutze eine Gesamtlehrerkonferenz (GLK) oder ein kurzes Treffen im Lehrerzimmer, um dich vorzustellen. Erkläre kurz, was Lerntherapie ist, welche Aufgaben du übernimmst und warum die Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Eltern wichtig ist. Es ist entscheidend, alle Lehrkräfte zu erreichen, damit du nicht in den kommenden Wochen immer wieder dieselben Fragen beantworten musst – wer du bist und was du machst.

2. Mache dich im Lehrerzimmer sichtbar:
Ein Aushang sorgt dafür, dass du präsent bleibst und deine Kontaktdaten jederzeit griffbereit sind. Besonders in großen Schulen hilft ein Foto von dir, damit Kolleg*innen dich direkt ansprechen können.

3. Mache dich bei den Eltern bekannt:
Stelle dich auf einem Elternabend oder per Elternbrief vor (in Absprache mit der Schulleitung). Erkläre kurz, was ein Lerntherapeut macht, welche Materialien zum Einsatz kommen und warum die Zusammenarbeit wichtig ist.

4. Kläre organisatorische Fragen:
Erfrage, welche Materialien du nutzen kannst und ob zusätzliche Anschaffungen geplant sind. Kläre auch die Nutzung von Räumlichkeiten (fester Raum, Schlüssel dafür) und den Austausch mit Lehrkräften, wenn du Fragen zu Schülern hast.

Vor dem Start ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen und alle Fragen im Erstgespräch mit der Schulleitung zu klären. Vieles entwickelt sich aber auch im Laufe der Zusammenarbeit. In unserem Austausch im Juni kamen sehr positive Rückmeldungen und eine große Offenheit der meisten Schulen, mit Lerntherapeuten zu kooperieren.

„Einigkeit ist unsere Stärke. Mit einem starken Team können wir alles erreichen.“ – Mattie Stepanek, amerikanische Dichterin

Wenn du nicht selbständig tätig bist und du lieber an der Schule angestellt sein möchtest, kannst du dich als pädagogische Assistenz bewerben, Ich persönlich finde allerdings, dass über diesen Weg die Vergütung wenig attraktiv ist (Einstufung S8 TvöD). Um erstmal ins System Schule reinzuschnuppern, mag es für einige dennoch eine Alternative sein.

Diese Rahmenbedingung sind wichtig

Mittelfristig brauchen Lerntherapeuten Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, langfristig mit den Schülern zu arbeiten. Rückenwind ist eine Chance, aber man braucht viel Gelassenheit, um mit den immer wieder endenden Bewilligungszeiträumen klar zu kommen.
Lerntherapeuten sollten nicht als „Hilfskräfte“ missbraucht werden. Sie brauchen angemessene Rahmenbedingungen, um mittelfristig als Teil eines multiprofessionellen Teams fester Bestandteil an Schulen zu werden. Ich zitiere hier gerne Michael Hirn, stellvertretender Landesvorsitzende der GEW.

Multiprofessionelle Teams mit Menschen, die eine andere Expertise haben als Lehrer*innen, sind ein notwendiger Baustein der erfolgreichen Bildung junger Menschen an den Schulen. Michael Hirn, stellevertretender Landesvorsitzender der GEW

„Allerdings gibt bei den multiprofessionellen Teams zwei Risiken: Sie werden zu nicht angemessenen Bedingungen an Schulen beschäftigt. Sie brauchen feste Verträge, das Land als Arbeitgeber, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung.
Wenn andere Professionen nur als billiger Ersatz für fehlende Lehrer*innen an Schulen eingesetzt werden, können multiprofessionelle Teams keinen Beitrag für eine bessere Bildung leisten.“

Es ist noch ein weiter Weg, aber jeder kleine Schritt zählt. Ich kann alle Lerntherapeuten ermutigen, über Lernen mit Rückenwind an Schulen zu arbeiten. Es ist eine ganz wunderbare Erfahrung.

Ergänzungen der letzten Monate, Entwicklung von Rückenwind

Nachtrag 13.7.2023: Das Budget für Rückenwind wird im nächsten Schuljahr geringer ausfallen als in diesem Jahr. Im Gespräch mit 6 Schulen und im Austausch mit 3 weiteren Lerntherapeuten höre ich, dass man Lerntherapeuten sehr gerne in die Förderung von Schülern integrieren möchte, aber aufgrund von Finanzierungsmöglichkeiten über Rückenwind Grenzen sieht. Auch die Einzelförderung wird reduziert (war in Ausnahmefällen möglich). Außerdem kennen einige Schulen nur die Möglichkeit als pädagogische Assistentin an Schulen tätig zu werden und nicht das Kooperationsmodell. Dennoch arbeiten Lerntherapeuten sehr erfolgreich über Rückenwind an Schulen und das ermöglicht Schülern eine individuelle (fachlich und emotionale) Unterstützung, die sonst keine Förderung bekommen würden.

Nachtrag März 2024: Es ist wieder Budget vorhanden, einige Schulen haben das Budget nicht abgerufen, so dass jetzt andere Schulen darauf zugreifen können.

Nachtrag 3.7.2024: Rückenwind wird bis zum 31.12.2024 verlängert. Setze unbedingt das Häkchen in deinem Profil bei lehrer-online-bw.de, dann wird dein Rahmenvertrag bis Ende Dezember verlängert.

Nachtrag 27.12.2024: Die bisherigen Verträge der Kooperationspartner mit einer RW-Nummer (Lernen mit Rückenwind) wurden jetzt in UP-Nummern (Unterstützungsprogramm) geändert. Damit werden Rückenwind und das Startchancenprogramm künftig unter dem Begriff Unterstützungsprogramme zusammengeführt. Rückenwind läuft aktuell bis zum 31.07.2025 und soll auch darüber hinaus fortgeführt werden.

Dein perfekter Start an der Schule: mein Online-Kurs

Ich plane einen kompakten Online-Kurs, der dir hilft, die ersten Schritte als Lerntherapeut*in an einer Schule erfolgreich zu meistern. Du erhältst:

  • Checklisten für eine strukturierte Vorbereitung
  • Vorlagen für klare Kommunikation mit Schulen
  • Tipps aus der Praxis basierend auf über 7 Jahren Erfahrung an verschiedenen Schulen
  • Erprobte Strategien aus dem Austausch mit vielen Kolleg*innen

Der Kurs ist praxisnah und zeitsparend gestaltet, damit du direkt loslegen kannst. Abonniere meinen Newsletter und du erfährst, wann es losgeht (Ende Januar/Anfang Februar 2025).👉 Abonniere jetzt meinen Newsletter!

Ja, ich freue mich drauf

 

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