Endlich wissen, was zu tun ist, wenn dein Kind große Rechenschwierigkeiten hat – der Ablauf der Dyskalkulie Diagnostik
Dyskalkulie Diagnostik – Ablauf – endlich Klarheit! Oft werde ich gefragt, wie wird überhaupt eine Dyskalkulie (auch Rechenschwäche oder Rechenstörung genannt) festgestellt? Wo wird eine Dyskalkulie Diagnostik durchgeführt? An wen muss ich mich wenden, wer kann mir helfen? Muss ich dafür etwas zahlen?
Damit du endlich weißt, welche Schritte euch wirklich weiterbringen, habe ich dir hier meine besten Tipps zusammengestellt. Es gibt für dich als Mutter oder Vater verschiedene Anlaufstellen, aber vermutlich weißt du aufgrund der Vielfalt der Möglichkeiten nicht wohin? Folgende Tipps werden dir weiterhelfen.
Dyskalkulie Diagnostik – wozu?
Warum brauche ich die Diagnostik eigentlich? Komische Frage? Aber sehr relevant! Vielleicht braucht ihr einen Nachweis für die Schule? Oder möchtet ihr eine Kostenübernahme für eine Lerntherapie beim Jugendamt beantragen? Vielleicht möchtet ihr einfach nur Gewissheit haben, wo dein Kind im mathematischen Haus stehengeblieben ist, um darauf aufbauend die Unterstützung in die Wege zu leiten und eine Förderung zu beginnen? Diese Fragen sind wichtig, um herauszufinden, welche Art der Diagnostik für euch infrage kommt.
Medizinische Dyskalkulie Diagnostik
Eine medizinische Diagnostik nach ICD-10 (Liste medizinischer Klassifizierungen der Weltgesundheitsorganisation) wird von Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und/oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gestellt.
Sie beinhaltet mehrere standardisierte Tests, u.a. einen standardisierten Rechentest und einen Intelligenztest. Dabei ist es wichtig, dass die Abweichung der Rechenleistung von der Intelligenz groß genug ist (das ist das sogenannte Diskrepanzkriterium). Wenn diese Abweichung zwischen IQ und Rechenleistung nicht groß genug ist, wurden Kinder bisher nicht als rechenschwach angesehen. Das ICD-10 verlangt diese Diskrepanz immer noch.
Gott sei Dank nimmt man immer mehr Abstand von dieser Form der Diagnose. Die S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung“ vom Februar 2018 empfiehlt die Verwendung des Intelligenzdiskrepanzkriteriums nicht. Die „Diagnose-Kriterien erfordern eine Mathematikleistung im unterdurchschnittlichen Bereich“ findet man auf den ersten Seiten der Leitlinie, die hier zu finden ist.
Eine medizinische Diagnostik ist zwingend nötig, wenn ihr die Kostenübernahme der Lerntherapie nach SGB VIII §35 a (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) beantragen möchtet. Die Erfolgsaussichten sind von Jugendamt zu Jugendamt unterschiedlich, denn neben der medizinischen Stellungnahme muss eine (drohende) seelische Beeinträchtigung vorliegen und die Teilhabegefährdung (hat es Freunde, ist es in einem Verein, kommt es in der Schule klar) wird überprüft. Ob ein Kind teilhabegefährdet ist, wird von den Jugendämtern ganz unterschiedlich ausgelegt. Aber ich empfehle immer einen Antrag zu stellen und das Gespräch mit dem Jugendamt zu suchen. Manchmal hat man Glück und der Antrag wird bewilligt.
Wer zahlt die Diagnostik?
Apropos Kosten: Eine Dyskalkulie Diagnostik ist Kassenleistung.
Falls jedoch ein ausführliches medizinisches Gutachten benötigt wird, dann kann dies kostenpflichtig sein. Da die Regelungen jedoch nicht einheitlich sind, fragt am besten immer vorher beim jeweiligen Arzt nach.
Dieses Gutachten gibt ausführliche Einblicke in die durchgeführte Diagnostik. Ich empfehle Eltern immer, dass Hinweise für weitere (schulische) Hilfen, wie ein Zeitzuschlag oder das Verwenden von bestimmten Hilfsmitteln (z.B. Dienes Material) im Gutachten aufgeführt werden – am besten auf einer separaten Seite. Denn dann kann nur diese Seite der Schule vorgelegt werden.
Förderdiagnostik – wie rechnet das Kind?
Auch wenn eine offizielle ärztliche Diagnostik nach ICD-10 schon vorliegt, empfehle ich immer zusätzlich eine Förderdiagnostik bzw. Lernstandsanalyse durchzuführen. Ihr erfahrt dadurch, wie dein Kind rechnet. Eine Förderdiagnostik führt z.B. ein integrativer Lerntherapeut durch.
Ich nehme mir für die Förderdiagnostik ausreichend Zeit, es gibt bei den Lösungen kein richtig oder falsch. Vielleicht hast du Bedenken, dass dein Kind nun schon wieder getestet wird. Aber die Förderdiagnostik ist eher ein Dialog, in welchem ich das Kind/den Jugendlichen erstmal in Ruhe kennenlerne und dann herausfinde, wie es rechnet und zu den Lösungen gekommen ist. Oft haben Kinder ganz tolle Lösungsansätze, haben aber schon soviel Misserfolg erlebt, dass sie Angst haben, weiterzurechnen. Diese Angst nehme ich deinem Kind und richte den Blick auf die Dinge, die schon gut klappen, um darauf aufbauend, die weitere Förderung zu planen.
Je nach Testverfahren, welches in der medizinischen Diagnostik verwendet wurde, bekommt man oft nur einen Punktwert, der das Kind im Alters- oder Klassenvergleich einstuft. Man weiß dann, dass bei einem Prozentrang von 10 (PR 10) im Rechentest 90 % der Kinder besser rechnen können. Was dann aber noch fehlt, sind die genauen Rechenschwierigkeiten. In welcher Etage vom mathematischen Haus ist das Kind stehengelassen worden? Und noch viel wichtiger: Wo kann eine Förderung ansetzen.
Die Förderdiagnostik ist der Schlüssel zu einer sinnvollen Förderung und zu einem individuellen Förderplan.
Die Stärken Ihres Kindes in Fokus stellen!
Förderdiagnostik stellt auch heraus, was Ihr Kind schon kann! Ebenso von Bedeutung ist der Aufbau und Erhalt des Selbstwertgefühls.
Die Schüler müssen erst wieder lernen, dass sie so wie sie sind, wertvoll und einzigartig und nicht nur derjenige mit einer Dyskalkulie sind. Sie haben wundervolle Stärken und genau an diesen Stärken setzt eine Lerntherapie an.
Eine Dyskalkulie Diagnostik sollte als Chance genutzt werden, um dem Kind gezielt zu helfen. Es ist nichts, was als „Stigma“ gesehen werden sollte. Man kann davon ausgehen, dass ca. 3-8 % der Kinder von einer Rechenstörung betroffen sein können. Pro Klasse sind das ein bis zwei Kinder. Der Ablauf der Dyskalkulie Diagnostik ist immer abhängig vom jeweiligen Ziel, brauche ich ein offizielles Gutachten für die Kostenübernahme beim Jugendamt oder möchte ich einfach wissen, wo mein Kind mathematisch steht.
Wenn du als Vater oder Mutter den Fokus auf die Stärken deines Kindes lenkst, wird dein Kind lernen, mit seiner Rechenschwäche leichter umzugehen und auch erste (mathematische) Erfolgserlebnisse haben.
Das solltest du wissen:
Eine Dyskalkulie liegt vor (nach den Empfehlungen der neuen S3-Leitlinie Rechenstörung) wenn
- der IQ über 70 liegt
- die mathematische Leistung im Altersvergleich im unteren Bereich liegt und
- die Abweichung nicht aufgrund mangelnden Unterrichts oder infolge einer Krankheit verursacht ist
Weitere Informationen kannst du in der aktuellen „S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung“ nachlesen (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP)).
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