Gruppenförderung in der Lerntherapie? Macht das Sinn? Ist Lerntherapie nicht klassisch im Einzelsetting und in der Gruppe kommt der einzelne Schüler zu kurz? Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Gruppenförderung  eine wertvolle Alternative zur Einzelförderung bei einer Legasthenie oder Dyskalkulie sein kann.

Gruppenförderung im Fokus

Durch das gemeinsame Lernen profitieren Kinder von der Dynamik der Gruppe. Außerdem erhalten sie Unterstützung von ihren Gleichaltrigen und können so voneinander lernen, sich gegenseitig motivieren und emotional gestärkt werden.

Jedoch bringt die Gruppenförderung auch ihre Herausforderungen mit sich. Unterschiedliche Lernniveaus und individuelle Bedürfnisse können dazu führen, dass einige Kinder weniger Aufmerksamkeit bekommen oder langsamer vorankommen.

Du bekommst hier einen Einblick die Gruppenförderung mit dem Schwerpunkt Mathematik. In den  letzten Jahren habe ich schon viele Gruppen lerntherapeutisch in der Schule begleitet, die letzten Monate jetzt auch Erfahrungen in meiner lerntherapeutischen Praxis gesammelt. Es ist jedes Mal für mich spannend und jede Gruppe bringt ihr ganz individuelles Potenzial mit sich.

Wichtig ist aber auch zu definieren, wie groß darf eine Gruppe überhaupt sein. Ich empfehle ein Gruppengröße von max. 4 Schülern, um wirklich auch jedem Einzelnen gerecht zu werden.

Ich werfe hier sowohl einen Blick auf die Vorteile, zeige aber auch mögliche Hürden und Grenzen auf. Beginnen wir mit den Vorteilen.

#1 Emotionale Stärkung durch Gemeinschaft

In der Gruppenförderung fühlen sich Kinder wahrgenommen mit ihren Lernschwierigkeiten und sehen, dass sie nicht allein mit ihren mathematischen Schwierigkeiten sind. Der Austausch mit Gleichaltrigen bietet emotionale Unterstützung und stärkt das Selbstbewusstsein.

#2 Eine wahrer Schatz liegt in der Gruppendynamik

Das ist ein Aspekt, der mich immer wieder fasziniert und begeistert.  Die Gruppendynamik ermöglicht es Kindern, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu motivieren. Wenn einem Kind etwas gut gelungen ist, kann das andere Kind davon lernen und durch diesen Ansporn entsteht eine ganz eigene Dynamik der Kinder untereinander.

„Wenn du das schaffst, dann kann ich das ganz bestimmt auch lernen“ Schülerin, der 2. Klasse 

Warum Schüler sich gegenseitig stärken und warum ein Austausch untereinander so wertvoll ist, hat Nicole Gerbatsch, hier beschrieben. 

#3 Kostenersparnis durch Gruppenangebote und kürzere Wartezeiten

In der Regel ist eine Gruppenförderung auch günstiger als eine 1:1 Lerntherapie. Das mag bei einigen Familien ein wichtiger Grund sein, eine Gruppenförderung in Anspruch zu nehmen. Allerdings sollte immer geschaut werden, ob das Gruppenangebot zum Schüler passt und man ggf. auch die Gruppe wieder wechseln kann. In meinem Fall war die Gruppe erstmal nur für 3 Monate fest geplant. Es war den Eltern überlassen, ob Ihr Kind nach den 3 Monaten weitermachen möchte.

Da mehrere Kinder gleichzeitig betreut werden, sind die Wartezeiten für Therapieplätze in der Gruppenförderung in der Regel kürzer. Das ermöglicht einen schnelleren Beginn der Förderung und hilft, Lernschwierigkeiten frühzeitig anzugehen.

#4 Verbesserte Kommunikations- und Sprachförderung durch Gruppenarbeit

Gespräche über Mathematik und eine gezielte Kommunikationsförderung ist eine der Leitlinien für guten Mathematikunterricht. In der Gruppe spielt die Kommunikationsförderung eine viel größere Rolle als im Einzelsetting. Die Kinder lernen ihre Denkwege verständlich zu beschreiben, lernen zu argumentieren und bekommen einen Einblick in die Rechenwege und damit Perspektiven der anderen Schüler. Sie können ihre Kompetenzen gemeinsam weiterentwickeln, damit lernen alle Kindern immer von- und miteinander. Ein Aspekt, der in der Einzelförderung nicht gegeben ist, da findet auch ganz viel Sprachförderung statt, aber nur mit dem Lerntherapeuten.

Meine Zahl des Tages, gemeinsam auf Entdeckung gehen
Diese Begründung ist einfach klasse

#5 Förderung von Verantwortungsbewusstsein

Gruppenarbeit in der Lerntherapie fördert das Verantwortungsbewusstsein der Kinder, da sie gemeinsam Aufgaben erledigen und einander unterstützen müssen. In der Gruppe lernen Kinder, sich zurückzunehmen und nicht ständig dazwischenzureden, was ihnen hilft, Geduld und Respekt für die Gedanken und Beiträge der anderen zu entwickeln. Sie übernehmen damit nicht nur Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess, sondern auch für das Lernumfeld der anderen.

Weitere Vorteile, wenn die Gruppenförderung in der Schule stattfindet

Wenn Lerntherapie in der Schule stattfindet bietet dies weitere Vorteile: Neben einem präventiven Ansatz, der sowohl für Einzel-als auch Gruppenförderung gilt, sind insbesondere der Austausch mit den Lehrkräften und der Kräftehaushalt der Schüler am Vormittag ein wichtiger Aspekt.

#6 Engerer Austausch mit den Lehrkräften und Transfer in den schulischen Alltag

Das schulischen Setting bietet insofern einen Vorteil, weil Gespräche mit Lehrkräften auch auf sehr kurzem Weg geführt werden können. Außerdem kann der Lerntherapeut im Unterricht hospitieren und Dinge, die im lerntherapeutischen Setting eingeübt wurden, können direkt vor Ort in der Schule ausprobiert und in den schulischen Alltag übertragen werden.

#7 Größere Aufmerksamkeitspanne in den Vormittagsstunden

Eigentlich total simpel und naheliegend. Wenn ich in den Schulen direkt vor Ort lerntherapeutisch begleite, dann habe ich die Schüler in der Regel am Vormittag. In den Vormittagsstunden können sie sich besser konzentrieren und sind kräftetechnisch auch aufnahmefähiger.

Grenzen und Hürden der Gruppenförderung in der Lerntherapie

Natürlich sind einer Gruppenförderung auch Grenzen gesetzt und nicht jedes Kind ist für eine Gruppenförderung geeignet. Daher zeige ich im Folgenden auf, wo mögliche Hürden liegen und wann eine Einzelförderung die bessere Wahl sein kann.

#1 Negative Assoziationen mit dem Schulort

Für einige Schüler ist die Schule ein negativ besetzter Ort, der mit Stress und Misserfolgen verbunden ist. Diese Assoziationen können die Motivation und das Engagement der Schüler in der Gruppenförderung beeinträchtigen.

#2 Größere Lernschwierigkeiten erfordern individuelle Betreuung

Schüler mit größeren Lernschwierigkeiten profitieren oft mehr von einer 1:1 Lerntherapie. Sie benötigen eine individuelle Unterstützung, die in der Gruppensituation nur bedingt realisierbar ist.

#3 Unterschiedliche Entwicklungsfortschritte der Schüler

Kinder entwickeln sich unterschiedlich schnell, was in einer Gruppe eine Herausforderung darstellen kann. Obwohl Differenzierung möglich ist, stößt sie manchmal an ihre Grenzen. Einige Kinder könnten überfordert, andere unterfordert sein und es ist Aufgabe des Lerntherapeuten hier in der Gruppe gut zu differenzieren. Trotz aller Differenzierung, mag das Einzelsetting dann dennoch für einige Schüler die bessere Alternative sein.

Ich plane Gruppen immer für einen festen Zeitraum, nach ca. 3-4 Monaten behalte ich es mir offen, dem Schüler und seinen Eltern eine Einzelförderung zu empfehlen oder ihn in eine andere Gruppe wechseln zu lassen.

Schätzgläser in der Lerntherapie – hilfreich, um das Mengenverständnis zu fördern
Bündelung von jeweils 10 Nudeln, so fällt das Zählen leichter

#4 Persönlichkeit des Schülers

Einige Schüler fühlen sich in Gruppensettings unwohl und können sich nicht öffnen. Für diese Kinder ist die Gruppenförderung weniger effektiv, da sie möglicherweise nicht das gleiche Maß an Unterstützung und Verständnis wie im lerntherapeutischen Einzelsetting erfahren.

#5 Mögliche Störfaktoren durch Gruppendynamik

Störende Verhaltensweisen einzelner Schüler können das Lernklima negativ beeinflussen. Unruhe, Ablenkung oder Konflikte erschweren es, ein konzentriertes und produktives Lernumfeld aufrechtzuerhalten.

Fazit: Die Power der Gruppenförderung in der Lerntherapie

Es ist wichtig, genau zu schauen, ob der Schüler von einer Gruppenförderung profitiert oder ob es doch sinnvoller wäre, im Einzelsetting zu fördern. Bei meiner Netzwerkkollegin Sabine Landua findest du ihren ganz persönlichen Einblick in das Thema Gruppenförderung.

Zusammenfassend ist die Gruppenförderung eine gute Alternative zur Einzelförderung. Ich liebe es, sowohl im Einzelsetting Schüler zu begleiten, sehe aber auch großes Potenzial in der Gruppenförderung, insbesondere die Gruppendynamik, die nicht planbar ist, zaubert oft ganz spontan Schülern ein Lächeln ins Gesicht. Da habe ich schon viele positive Überraschungen erlebt und eine Schülerin hatte nach den ersten Stunden in der Gruppenförderung es ganz wunderbar auf den Punkt gebracht

Mathe ist jetzt mein neues Lieblingsfach, ich wusste gar nicht, dass man so viel durchs Spielen lernen kann

Lust auf mehr Mathe- und Lernfreude und Einblick in die Gruppenförderung in der Lerntherapie? Zeitnah wird es auch wieder verschiedene Seminare zu diesem Thema geben und wie man als Lerntherapeut erfolgreich an einer Schule starten kann.

Hüpfe daher gerne in meinen wöchentlichen Newsletter und lass dich von Einblicken in meine lerntherapeutische Förderung inspirieren.

Ja, ich freue mich drauf

 

5 Comments

  • Ich war bisher ja nicht so ein Fan der Gruppenförderung, aber deine Argumente sind ziemlich überzeugend! Unter bestimmten Voraussetzungen kann Gruppenförderung wohl doch eine gute Alternative sein. Ich werde mal darüber nachdenken, danke für den Impuls!

    • Danke für dein Feedback. Ich finde in Gruppenförderung steckt soviel Potenzial, aber es ist genauso wichtig, die Grenzen zu kennen. Egal, ob Einzel -oder Gruppenförderung durch unseren lerntherapeutischen Blick zaubern wir Schülern ein Lächeln ins Gesicht.

  • Toller, interessanter und ausgewogener Bericht.
    Dass du, neben den ganzen Vorteilen, auch die Grenzen aufzeigst und für wen es eventuell nicht geeignet ist, finde ich super.
    Ich überlege auch eine Gruppe bei mir vor Ort zu starten. Insbesondere die finanzielle Hürde ist bei der Einzeltherapie einfach riesig. Da hilft so ein ergänzendes Angebot eben auch.
    Vielen Dank für deine Inspiration und viele Grüße
    Timo

    • Danke Timo, ich habe versucht, Hürden und Chancen transparent zu machen. Natürlich ist Gruppenförderung nicht für jeden Schüler etwas, aber in ihr steckt großes Potenzial, was man nutzen sollte.

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