Schockstarre Halbjahresinformation oder kann das zweite Halbjahr als Neustart genutzt werden? Wie kann auch dein Kind neue Lernmotivation erlangen?
In den letzten Tagen gab es Halbjahreszeugnisse. Für einige Familien ist dieser Tag mit Angst und Unsicherheit verbunden. Manchmal wird versucht, das Zeugnis regelrecht gedanklich aus dem Kopf zu schieben. Der erste Gedanke ist Ignorieren, um sich zu schützen und die Angst vor schlechten Noten einfach beiseite zu schieben.
Wichtig ist, dass sich Schülerinnen und Schüler nicht entmutigen lassen und stattdessen das zweite Schulhalbjahr mit Schwung und neuer Lernmotivation angehen.
Dein Kind ist viel mehr als nur seine Noten auf dem Zeugnis!
Wir möchten Eltern ermutigen: Schaut nach vorne und startet mit Mut und Schwung ins zweite Halbjahr. Ich habe aus diesem Grund 9 erfahrene Lerntherapeutinnen aus unserem Lerntherapeuten Netzwerk gefragt:
Was ist dein bester Tipp, um mit Schwung und Mut ins zweite Halbjahr zu starten?
Ihre Antworten habe ich in diesem Blogartikel gesammelt. Meinen Tipp möchte ich dir natürlich auch nicht vorenthalten und habe ihn daher am Ende dieser Sammlung eingefügt.
Viel Spaß beim Eintauchen in diese Mut-machenden Tipps, Ideen und neuer Lernmotivation!
Tipp #1 von Sabine Landua, Lerntherapeutin und Ex-Lehrerin
Sabine von Wortsalat und Zahlenmix hat mit ihren Schülern einen Brief an ihr „Zukunfts-Ich“ geschrieben. Außerdem erhalten ihre Schüler einen kleinen Fragebogen, auf dem sie ihre Gedanken, wie es weitergehen könnte, notieren können. Wichtig ist es, am Ende einen ersten Schritt in Richtung des neuen Ziels zu formulieren.
Dieser sollte so klein gehalten sein, dass er sofort oder zumindest am selben Tag noch umgesetzt werden kann. Weitere Infos findest du auf ihrer Website.
Tipp #2 von Stefanie Schmidt, Logopädin und Lerntherapeutin
Steffi hat einen ganz einfachen und dennoch so wichtigen Tipp für Eltern. „Nehmen Sie Ihr Kind fest in den Arm und trinken Sie einen Kakao zusammen. Seien Sie da, denn Ihr Kind ist ebenso enttäuscht. Setzen Sie sich in den nächsten Tagen zusammen und überlegen Sie zusammen, was bei Note im Fach xy so gut geklappt hat und wie man dies übertragen könnte. Was klappt schon gut, wo sind Herausforderungen und wie könnte der erste kleine Schritt aussehen, diese anzugehen.“
Tipp #3 von Nicole Zwiener, Grundschullehrerin und Lerntherapeutin
Nicole Zwiener von Lerntherapie Lust statt Frust empfiehlt: Wir sollten alle in ein Boot holen: Ich arbeite mit meinen Klassen von Beginn an am „Growth Mindset“. Es gibt jede Woche eine Mutmachkarte. Unter den Lernständen steht, was man noch nicht gefestigt hatte und jedes Kind bekam einen Radiergummi mit einem Merker Fehler sind Helfer.
Genauso erläuterte ich meine Ansicht beim Elternabend und in Eltern-Kind-Lerngesprächen. Noten stellen nur einen Moment dar, sie sagen nicht, wie mein Kind sich fühlte, wie der Stift des Nachbars kratzte, ob es schlecht schlief.
Viel wichtiger ist, dass jedes Kind seine Stärken kennt. Aus diesem Grund machen wir immer wieder neue Stärkensonnen, die jedes Kind in sein Zeugnis heften darf. Ich übergebe jedem Kind einzeln sein Zeugnis und wir sprechen über Stärken und notieren eine „Baustelle“ an der wir alle gemeinsam arbeiten.
Unsere Elternaufgabe ist so wichtig: Stärkt eure Kinder, in dem, was sie können, macht ihnen klar, dass Noten überhaupt nichts aussagen. Und da müsst ihr Mamas und Papas selbst an euch arbeiten, legt euer eigen antrainiertes Leistungsdenken ab! Lobt eure Kinder! Fragt sie, bist du zufrieden (nach einer Arbeit), sprecht über die Dinge, die es konnte und überlegt, wo es vielleicht Lernfelder gibt. Versucht den Noten einfach nicht den übergroßen Stellenwert zu geben. Lobt jetzt eure Kinder für die Arbeit bis ins Halbjahr. Jedes Kind gibt sein Bestes und unsere Kinder leisten jeden Tag so viel! Sorgt für Ausgleich und macht eure Kinder resilient durch das „Growth Mindset“.
Stärkt eure Kinder, in dem, was sie können, macht ihnen klar, dass Noten überhaupt nichts aussagen. (Nicole Zwiener, Lehrerin und Lerntherapeutin)
Tipp #4 Pia Meyer, Realschullehrerin und Lerntherapeutin
Ich spreche mit meiner Klasse über das Zeugnis. Auf welche Note(n) sind sie stolz. Und welche Note möchten sie im zweiten Halbjahr verbessern. Dann schicke ich sie zu den betreffenden Kollegen und lasse sie fragen, was sie konkret machen können. Das schreiben sie sich auf und haben es in ihrer Federmappe. Die konkrete Idee motiviert sie meistens.
Tipp #5 von Sarah Schnitzler, Psychologin und Lerntherapeutin
Dieser Tipp kommt von Sarah Schnitzler.
Wir alle wissen – Erfolgserlebnisse motivieren! Wie jedoch gelangen Lernende möglichst schnell zu Erfolgserlebnissen? Eine wichtige Voraussetzung dafür ist auch im schulischen Kontext das Setzen von Teilzielen. Ein eher langfristiges Ziel (z.B. „Ich möchte meine mündliche Mitarbeit im Englischunterricht bis zum Ende des kommenden Halbjahres mit Wortmeldungen und freiwilligen Kurzreferaten um eine Note verbessern.“) kann in Teilziele heruntergebrochen werden und daher kurzfristiger die Lernmotivation erhöhen.
Damit Teilziele zu einem schnellen Erfolgserlebnis führen, kann die SMART-Methode (Locke & Latham, 1990) hilfreich sein.
S für SPEZIFISCH: Das Teilziel sollte möglichst genau formuliert werden.
M für MESSBAR: Das Teilziel sollte messbar sein.
A für ATTRAKTIV: Das Teilziel sollte für die lernende Person selbst motivierend sein.
R für REALISTISCH: Das Teilziel sollte aus eigenen Kräften erreichbar sein.
T für TERMINIERT: Das Teilziel sollte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen sein.
Teilziele für das oben genannte Ziel könnten sein:
„In der ersten Woche des zweiten Schulhalbjahres werde ich mich dreimal während des Englischunterrichtes zu Wort melden.“
„In der zweiten Woche des zweiten Schulhalbjahres werde ich im Englischunterricht freiwillig ein fünfminütiges Kurzreferat zum Thema Haustiere halten.“
Wirkt bereits allein das Erreichen des Teilzieles motivierend, können Teilziele zusätzlich auch mit Belohnungen verknüpft werden (positive Verstärkung). Dabei sollten die Belohnungen den individuellen Wünschen bzw. Interessen der lernenden Person entsprechen, denn nur so können sie motivierend sein. Auch für Kinder und Jugendliche gilt: Belohnungen müssen nicht materiell sein. Aus meiner lerntherapeutischen Erfahrung können folgende positive Verstärker für SchülerInnen motivierend sein: Mama/ Papa kochen das Lieblingsessen oder gemeinsam z.B. Pizza backen, ein Gesellschaftsspieleabend, Frühstück ans Bett bringen, eine schöne (Fuß-)Massage oder Traumreise,
extra Vorlesezeit oder eine Fahrradtour mit einem Wunschziel in der Nähe.
Literatur: Locke, E.A. & Latham, G.P. (1990). A theory of goal-setting and task performance. Prentice Hall: Englewood
Cliffs.
Tipp #6 von Corinna Milinski, Lerntherapeutin und Ex-Lehrerin
Corinna und Nadine von Anders Lernen geben in ihrem Blogbeitrag Tipps rund um die Hausaufgaben, denn auch dieses Thema kann belastend sein. Wenn du wissen möchtest, wie ihr gemeinsam die Lernmotivation erhöhen und die Hausaufgaben im zweiten Halbjahr entspannter angehen könnt, dann schaut unbedingt in Corinnas und Nadines Blogbeitrag rein. Drei Ideen teile ich gerne vorab
- Legt verbindlich gesteckte Arbeitsphasen und Pausen fest, in denen das Kind sich bewegen darf, etwas mit dir spielerisch erarbeitet.
- Hinterfragt das Pensum der Hausaufgaben.
- Schaffe räumlich einen Ort für euch.
Hier geht’s zum Blogbeitrag bei anderslernen.
Tipp #7 von Bettina Häntsch, Lerntherapeutin
Bettina Häntsch hat ihre Ideen auf Instagram vorgestellt, sie möchte Eltern ermutigen, den Fokus auf die Stärken und Erfolge des Kindes zu lenken.
- Das wahre Zeugnis: Schreibe auf, was dein Kind für gute Fähigkeiten und Stärken hat
- Das Glas der Erfolge: Schreibt Dinge auf, die erfolgreich waren und sammelt diese in einem Glas
- Schneeflocken- das bin ich (zu dieser Idee findest du hier weitere Informationen)
Tipp #8 von Ute Temel, akademische Therapeutin für Lernstörungen
Ute hat auf Eduki zwei Vorlagen für mehr Mut und einen Blick nach vorne zum Download geteilt, hier kannst du mit deinem Kind gemeinsam reflektieren, wie das nächste Halbjahr mit mehr Mut und Gelassenheit angegangen werden kann.
Tipp #9 von Melanie Neßlböck, Dipl. Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin
Melanie hat folgenden Tipp für uns: Effektives Lernen mit gut geplanten Pausen😉!
Hast du schon einmal von der Pomodoro-Methode gehört? (benannt nach der Eieruhr – die in vielen Ländern eine Tomatenform hat).
- Paare hoch konzentrierte Lernphasen mit geplanten wertvollen Pausen.
- Setze dir kleine konkrete Lernziele, die du in 25 Minuten erreichen kannst.
- Du lernst in 25 Minuten Intervallen und hakst dein erreichtes Ziel ab.
- Danach darfst du dich mit einer Pause von 5 min belohnen.
- Nach 4 Pomdoros solltest du eine längere Pause von 30 min einlegen.
- Formular zum Download
- App „Focus Keeper“ unterstützt dich beim Einhalten der Lernphasen.
Welche Vorteile bringt diese Lernmethode?
- Wer sich gut fühlt, kann auch gut lernen. Regelmäßige Pausen, erreichbare Ziele und Belohnungen geben dir ein besseres Gefühl dabei.
- Zwischenziele zu definieren, hilft beim strukturierten Lernen.
- Ziele, die erfüllt wurden, motivieren für das Weiterlernen.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Tipp #10 von Kinga Varga – Selbstmitgefühl fördert die Motivation
Gerade wenn das Zeugnis nicht so ausfiel, wie das Kind es erwartet oder es gerne gehabt hätte, ist es vielleicht so enttäuscht, dass es sich für dumm und unfähig hält. In solchen Situationen kann Selbstmitgefühl sehr hilfreich sein. Selbstmitgefühl bedeutet, dass wir uns selbst gegenüber warmherzig und verständnisvoll sind, wenn wir leiden oder scheitern, anstatt unseren Schmerz zu ignorieren oder uns selbst mit Selbstkritik zu geißeln. Zu unseren Freunden sind wir oft viel netter als zu uns selbst.
Zum Glück können wir unser Gehirn trainieren, genauso nett zu uns wie zu unseren Freunden zu sein. Mit einem Kind könnten wir in der oben genannten Situation – es ist traurig und/oder wertet sich ab – zuerst gemeinsam erforschen, wie es sich anfühlt, was es gerade empfindet. Dann sollte es sich vorstellen, es würde einem Freund erzählen, wie es sich gerade fühlt. Dann fragen wir das Kind: Welche mitfühlenden Worte würde er dir sagen?
Das Kind soll auf den Ton, in dem es mit einem Freund spricht achten. Dann sollte das Kind die selben Worte zu sich selbst sagen. Es kann sich auch selbst trösten, indem es eine Hand auf sein Herz legt, mit einer Hand die andere anfasst oder seine Wange streichelt, was sich am besten anfühlt. Etwas später könnten wir dann gemeinsam mit dem Kind überlegen und besprechen, wie sich die Dinge ändern könnten, wenn es auf sich selbst auf die gleiche Weise reagieren würde, wie auf den Freund, wenn dieser leidet.
Selbstmitgefühl fördert die Motivation und spornt uns an, nach einer Niederlage weiterzumachen. Wenn man wirklich anstrebt, einen liebevolleren Umgang mit sich selbst zu finden, dann sollte man solche Übungen häufig wiederholen damit eine Veränderung stattfindet. Sie lassen sich in der Regel gut in bestehende Routinen und Aktivitäten integrieren, z.B. abends bevor man ins Bett geht.
Tipp #11 von Susanne Seyfried
Mein Tipp ist eigentlich ganz banal und doch so wirksam. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Wenn dein Kind eine Klassenarbeit zurückbekommt, schaut euch gemeinsam an, was gut gelaufen ist und wo Schwierigkeiten waren
- war die Zeit während der Arbeit zu knapp
- wurde ausreichend davor gelernt
- gab es Themen, die besonders schwer waren, überlegt gemeinsam, warum
- hatte dein Kind vielleicht einen schlechten Tag?
- wurden in dieser Woche möglicherweise viele Arbeiten gleichzeitig geschrieben?
- hatte dein Kind genug geschlafen
Diese Liste könnte man fortführen, reflektiert ganz in Ruhe diese Fragen und überlegt euch, was hätte besser laufen können. Bestrafungen wie Handyverbot bringen keinen Erfolg. Wenn ihr euch frühzeitig mit den Noten während des Schuljahres auseinandersetzt, dann kann daraus gelernt werden. Manche Lehrer notieren auch die mündliche Mitarbeitsnote auf der schriftlichen Arbeit, dann weiß der Schüler ungefähr wo er steht und kann sich noch verbessern. Schaut gemeinsam nach vorne und lässt die Halbjahresinformation hinter euch.
Meine kleine Checkliste soll euch helfen, gemeinsam nach vorne zu schauen. Hier auf Eduki. (für Newsletter Abonnenten kostenlos).
Neue Lernmotivation – jetzt bist du dran
Picke dir einen oder mehrere Tipps für mehr Motivation zum Lernen heraus. Fange am besten gleich heute an und stärke dein Kind.
Wir wünschen viel Freude beim Umsetzen.
Dein Lerntherapeutinnen-Netzwerk
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Ja, ich freue mich draufQuellenangaben:
- https://self-compassion.org
- https://www.spektrum.de/news/selbstmitgefuehl-halte-zu-dir/1573724 https://www.fritzundfraenzi.ch/erziehung/wie-man-lernt-liebevoll-zu-sich-selbst-zu-sein