Lerntherapie in Schulen, eine Unterstützung bei Legasthenie und Dyskalkulie ist weit mehr als kurzfristige Unterstützung.. Sie ist ein gezielter, langfristig angelegter Prozess, der Zeit, Beziehungsaufbau und klare Strukturen erfordert. Doch wie arbeiten Lerntherapeuten konkret, und warum ist Planungssicherheit so entscheidend für den Erfolg?

Von einem Bewilligungszeitraum zum nächsten?

Eine Förderung im schulischen Bereich sollte auf langfristige Lösungen ausgerichtet sein und die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes berücksichtigen. Besonders Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie benötigen Fördermaßnahmen, die nicht nur aktuelle Defizite beheben, sondern langfristig Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit aufbauen.

Als ich vor 1,5 Jahren durch das Programm „Rückenwind“ erstmals an einer Schule arbeitete, war von Anfang an klar, dass die Förderung nur für ein Jahr befristet ist. Dennoch wurde schnell deutlich, wie effektiv präventive Arbeit im schulischen Kontext sein kann. Doch die Unsicherheit über eine Verlängerung nach Ablauf des Förderzeitraums im Sommer 24 führte zu einer belastenden Situation – für alle Beteiligten gleichermaßen. Diese Unsicherheit hatten wir im Sommer 2024 und jetzt 4 Wochen vor Weihnachten sind wir in derselben Situation.

Wie arbeiten Lerntherapeuten an Schulen 

Lerntherapie ist kein „Schnellschuss“, sondern ein strukturierter, auf jeden Schüler individuell abgestimmter Prozess. Hier der typische Ablauf:

  1. Lernstandserhebung
    Zu Beginn des Schuljahres erfolgt eine detaillierte Analyse des Lernstandes. Durch Tests, Beobachtungen und Gespräche mit Lehrkräften wird der Förderbedarf des Schülers ermittelt
  2. Förderziele setzen
    Als Lerntherapeutin orientiere ich mich in meiner Arbeit an der Null-Fehler-Grenze. Diese Methode stellt sicher, dass die Schüler Aufgaben bewältigen können, ohne überfordert zu sein, und dabei kontinuierlich Fortschritte machen. In der Berufsschule arbeite ich mit Zielvereinbarungen und mit „SMARTen“ Zielen, die gemeinsam mit den Schülern formuliert werden. Smart bedeutet, die Ziele sind attraktiv, messbar und realistisch  und unterstützen die Auszubildenden dabei, ihre individuellen Entwicklungsziele zu erreichen.
  3. Eltern einbinden
    In der Lerntherapie werden auch immer Eltern eingebunden, um den Transfer ins häusliche Umfeld zu ermöglichen. Sie erhalten Materialien und Tipps, um das Lernen zu Hause zu unterstützen. Der regelmäßige Austausch sorgt dafür, dass Schule, Lerntherapie und Elternhaus optimal abgestimmt sind.
  4. Nachteilsausgleich abstimmen: Teil der lerntherapeutischen Förderung ist es auch einen individuellen und wirksamen Nachteilsausgleich für den Schüler zu definieren, im engen Austausch mit den Lehrkräften. Oft bin ich auch bei den Konferenzen zum Nachteilsausgleich dabei.
  5. Kontinuierliche Anpassung
    Förderpläne werden regelmäßig überprüft und angepasst. Wenn neue Herausforderungen auftreten oder Fortschritte erzielt werden, wird die Strategie entsprechend weiterentwickelt.
  6. Vertrauen aufbauen
    Der Beziehungsaufbau ist der Schlüssel zur erfolgreichen Lerntherapie. Ohne Vertrauen können Kinder weder Ängste überwinden noch Selbstvertrauen entwickeln

Ein langfristiger Prozess mit nachhaltigen Erfolgen

Der Erfolg der Lerntherapie zeigt sich oft erst nach Monaten. Gerade zu Beginn des Schuljahres ist viel Vorarbeit nötig: Diagnostik, Planung und organisatorische Abstimmungen nehmen Zeit in Anspruch.

In der Berufsschule, wo Blockunterricht stattfindet, kann es sogar 2-3 Monate dauern, bis die eigentlich Förderung beginnen kann. Doch diese Arbeit zahlt sich aus. Schüler entwickeln nicht nur ihre Lernfähigkeiten weiter, sondern auch ihr Selbstwertgefühl und ihre Motivation.

Lerntherapie geht weit über kurzfristige Erfolge hinaus. Es geht darum, Schüler ganzheitlich zu stärken – emotional, kognitiv und sozial.

Herausforderungen durch unklare Rahmenbedingungen

Die fehlende Planungssicherheit bei Programmen wie „Rückenwind“ ist eine große Hürde. Aktuell wissen Schulen nicht, ob das Programm über Dezember 2024 hinaus verlängert wird. Die Entscheidung soll am 18.12. fallen – nur zwei Tage vor den Weihnachtsferien. Unter solchen Bedingungen ist eine verlässliche Planung kaum möglich.

Wenn „Rückenwind“ endet, gehen wertvolle Strukturen und Fortschritte verloren, die über Monate aufgebaut wurden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit langfristiger Perspektiven, sowohl für die Förderung der Schüler als auch für die Organisation solcher Programme.

Wie soll ich das Schülern und Eltern erklären? Einige, darunter volljährige Schüler, verfolgen die Situation aufmerksam und stellen Fragen. Doch ohne klare Antworten bleibt auch mir die Weiterplanung erschwert.

Bildung braucht langfristige Planung und Vertrauen

Förderung im schulischen Bereich kann nur durch langfristige Planung und Stabilität erfolgreich sein. Lerntherapeuten leisten weit mehr als punktuelle Hilfe: Sie begleiten Schüler mit Legasthenie und Dyskalkulie ganzheitlich, analysieren individuelle Bedürfnisse und arbeiten eng mit Lehrkräften und Eltern zusammen, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Meine Netzwerk-Kollegin Sabine Walker hat in ihren Beiträgen ebenfalls deutlich gemacht, dass eine dauerhafte Perspektive sowie die angemessene Wertschätzung der Lerntherapeuten essenziell sind, um Kinder langfristig zu stärken. Nur mit klaren Rahmenbedingungen und einem verlässlichen System können wir gemeinsam an einer besseren Zukunft für unsere Schüler arbeiten.

Es ist Zeit, Bildung langfristig zu denken – in multiprofessionellen Teams, mit festen Rahmenbedingungen und der nötigen Planungssicherheit. Denn: Förderung braucht vor allem eins – Zeit.

 

Quellen zum Weiterlesen:

Landesregierung stockt Lehrerstellen auf – und streicht dafür Lernprogramm für Schüler – News4teachers

SprachFit: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (hier soll im Rahmen von Säule 4 Lernen mit Rückenwind fortgeführt werden)

 

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