Ich erkläre dir, warum es so viele verschiedene Begriffe für die Lese-Rechtschreib-Schwäche gibt. Außerdem erfährst du welche unterschiedlichen Definition es eine LRS gibt und zeige dir auf, wann es wichtig sein kann den Unterschied zwischen LRS und Legasthenie zu kennen.

Warum es wichtig ist den Unterschied von Legasthenie, LRS  und Dyslexie zu kennen und warum es manchmal auch völlig egal ist

Die Vielfalt an unterschiedlichen Definitionen ist riesengroß. Manchmal sprechen wir von einer LRS, manchmal von einer Legasthenie oder Dyslexie und selbst das S in LRS  hat unterschiedliche Interpretationen. Das S kann für Störung, Schwäche oder Schwierigkeiten stehen. Aber was bedeutet das jetzt praktisch gesehen? Ist es nicht eigentlich eher verwirrend? Brauche ich diese Abgrenzungen z.B. für den schulischen Alltag oder ist es dort nicht viel wichtiger, dass den Schülern frühzeitig geholfen wird?

Einige der Definitionen werden auch synonym verwendet und die Meinungen gehen auseinander, ob wir eher die pädagogische oder die medizinische Sichtweise (nach WHO = Weltgesundheitsorganisation) betrachten sollten.

Meine persönliche Meinung verrate ich dir schon jetzt:  Ich bin der festen Überzeugung, dass es eigentlich völlig egal ist, wie wir die Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben benennen, wichtig ist eine frühzeitig und präventive Unterstützung.

Die medizinische Sichtweise (Definition der Weltgesundheitsorganisation = WHO)

Vermutlich klingen die Begriffe ICD-10, WHO (Weltgesundheitsorganisation), medizinische Diagnostik für dich erstmal kompliziert, aber wichtig ist nur Folgendes: Es gibt für die Lese-Rechtschreib-Störung, wie die LRS genannt wird, wie auch für andere Krankheiten eine Abkürzung, die aus Buchstaben und Zahlen besteht, bei der LRS ist es die F81.0 oder F81.1. Diese Kürzel folgen einem bestimmten Schema, ob jetzt F oder 81 ist für dich aber völlig irrelevant.  Ich bin mir sicher, du kennst du diese Abkürzungen aus Buchstaben und Zahlen von dem rosa Zettel, den dir dein Arzt ausstellt, wenn du krank bist.

Aber ist mein Kind damit krank, wenn es Leseschwierigkeiten hat? Nein, dein Kind ist nicht krank, aber leider wird manchmal – z.B. wenn Eltern die Kostenübernahme der Lerntherapie beim Jugendamt beantragen möchten,  diese medizinische Sichtweise und Diagnostik nach ICD-10 verlangt.

Warum? Wenn du als Mutter oder Vater einen Antrag auf Finanzierung der Lerntherapie übers Jugendamt stellen möchtest, dann ist diese medizinische Diagnose nach ICD-10, WHO nötig. Neben der Überprüfung der  Kompetenzen im Lesen und Schreiben wird noch ein Intelligenztest durchgeführt.

Wer hilft mir weiter? Folgende Berufsgruppen können die Diagnose Lese-Rechtschreib-Störung stellen. Daher informiere dich vorher, ob der Test, den du für dein Kind in die Wege geleitet hast, für die Kostenübernahme anerkannt wird.

  • Ärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
  • Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen
  • psychologische Psychotherapeut*innen

Jetzt zeige ich dir erstmal auf, wie laut ICD-10 die Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben definiert sind.

F 81.0 Lese- und Rechtschreibstörung ≙ Legasthenie

Anmerkung: Der Begriff bzw. die Definition Legasthenie befindet sich nicht in der ICD-10, mit einer Legasthenie ist aber meist die Lese-Rechtschreibstörung gemeint

  • Umschriebene und schwerwiegende Beeinträchtigung beim Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens
  • ca. 5-8 % der Schüler sind betroffen, Jungen doppelt so häufig wie Mädchen
  • veranlagt (vererbt)
  • die Aktivität und auch Vernetzung verschiedener Hirnareale weicht im Vergleich zu Nichtbetroffenen ab (einiges wird noch erforscht)
  • keine Folge von unzureichender Beschulung (unregelmäßiger Schulbesuch)
  • Intelligenzminderung ist ausgeschlossen (IQ unter 70) – dies wird durch einen IQ-Test festgestellt
  • Seh- und Hörstörung muss ausgeschlossen sein
  • durchschnittliche Intelligenz und schwache Leistungen im Lesen und Rechtschreiben

„Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten haben unsere Unterstützung verdient. Am besten natürlich schon in der Schule.“ (Susanne Seyfried)

ICD-10 – F 81.1. Isolierte Rechtschreibstörung

Nur die Rechtschreibung fällt diesen Kindern schwer, das Lesen ist normal ausgeprägt (ca. 4-5% der Schüler sind betroffen).

Isolierte Lesestörung ICD-11 – 6A03.0 Lernentwicklungsstörung mit Lesebeeinträchtigung

Eine reine Lesestörung ist laut der momentan gültigen ICD-10 noch nicht definiert, aber in der neueren ICD-11. Laut neuesten Forschungen haben jedoch ca. 4-8% der Schüler große Leseschwierigkeiten bei gleichzeitig guten Rechtschreibleistungen.

ICD-11 – 6A03.0 Lernentwicklungsstörung mit Lesebeeinträchtigung: „Bei einer Lernentwicklungsstörung handelt es sich um eine Lernstörung mit Lesebeeinträchtigung, die durch erhebliche und anhaltende Schwierigkeiten beim Erlernen von Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Lesen gekennzeichnet ist, wie z. B. Genauigkeit beim Lesen von Wörtern, Leseflüssigkeit und Leseverständnis. […]“

Hinweis: Erst nach einer Übergangsfrist von mindestens 5 Jahren findet in n Deutschland wird die ICD-11 Anwendung. Solange gilt die ICD-10.


Die pädagogische Sichtweise

Vermutlich musst du die Informationen erstmal sacken lassen, denn  das waren vermutlich ganz schön viel Wissen. Lies hier unbedingt weiter, damit du in dem Wirrwarr der Begriffe auch wirklich weißt wie dein Kind die nötige Unterstützung bekommt und warum bestimmte Begriffe dabei eine Rolle spielen. Hier gehe ich jetzt auf die pädagogische Sichtweise ein.

Warum: Möchtest du als Vater oder Mutter wissen, wie dein Kind mit Lese-/Rechtschreib-Schwierigkeiten Unterstützung bekommt, dann ist eine Lernstandsanalyse wichtig. Wie wir die Schwierigkeiten nennen, ob LRS oder Legasthenie ist dabei zweitrangig.

Wer hilft mir weiter: Wende dich zuerst an den Lehrer deines Kindes, vielleicht gibt es in der Schule auch einen Beratungslehrer oder Schulpsychologen. Je nach Bundesland können es noch weitere Ansprechpersonen sein. Mittels Förderdiagnostik wird geschaut, wo dein Kind Schwierigkeiten hat und an diesen Herausforderungen kann Schritt für Schritt gearbeitet werden. Du kannst dich aber auch an einen  Lerntherapeuten wenden und dir privat Hilfe holen (kostenpflichtig).

Nochmal der Hinweis von meiner Seite, dein Kind ist nicht krank. Es gibt nur leider bestimmte Vorgaben, die nötig sind, damit ein Kind mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten von einer außerschulischen Förderung profitieren kann. Dafür braucht dein Kind eine offizielle Diagnostik, in welcher du dann als Vater oder Mutter die vielen Abkürzungen und die Definition der Legasthenie wiederfindest.

Ich persönlich wünsche mir,  dass  deinem Kind auch ohne Diagnostik in der Schule präventiv geholfen werden könnte. Leider ist das nur ganz selten der Fall und die Kinder müssen oft durch einen langen Diagnostikmarathon damit Hilfe gewährt wird. Das ist für alle Beteiligten mühsam.

Lese-Rechtschreib-Schwäche/Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS)

Jetzt kommen wir zu der Definition, die ich persönlich bevorzuge. Diese Definition zeigt auf, dass dein Kind Schwierigkeiten hat, aber gemeinsam (mit der Schule, Elternhaus, Lerntherapeuten, Logopäden und weiteren Unterstützungen) an diesen Herausforderungen gearbeitet werden kann.

Die Lese-Rechtschreib-Schwäche, auch LRS abgekürzt, definiert man oft als schwächere Ausprägung der Legasthenie. Manchmal sucht man hier die Ursache bei äußeren Einflüssen (Elternhaus, soziale Faktoren, Unterricht).

Ca. 20 % der Schüler haben Schwierigkeiten beim Lesen und/oder Schreiben.

Jedes Kind, welches Schwierigkeiten hat, sollte gefördert und unterstützt werden. Idealerweise bereits in der Schule.

Ich finde das klingt doch schonmal ganz anders. Wie du siehst bist du mit dem Thema nicht alleine. Dein Kind hat Schwierigkeiten und wichtig ist es zu schauen, wie du deinem Kind die nötige Unterstützung zukommen lassen kannst.

Braucht dein Kind die Unterscheidung zwischen LRS und Legasthenie – Fragen als Orientierung

Damit du besser einschätzen kannst, ob du für dein Kind die medizinische Diagnostik benötigst oder ob eine Förderdiagnostik und damit die pädagogische Definition ausreicht, stelle dir folgende Fragen als Orientierung:

  • wollt ihr eine Kostenübernahme der außerschulischen LRS Förderung beim Jugendamt beantragen — dann braucht ihr eine  medizinische Diagnose nach ICD-10 und der Begriff der Legasthenie bzw. Lese-Rechtschreib-Störung ist relevant für euch
  • möchtet ihr euch privat Hilfe suchen und die lerntherapeutische Förderung selbst finanzieren — dann kann der Lerntherapeut deiner Wahl eine Lernstandsanalyse durchführen und darauf aufbauend dein Kind individuell unterstützen, ob LRS oder Legasthenie ist zweitrangig
  • oder ist es euch wichtig einen Nachteilsausgleich in der Schule zu beantragen — die Voraussetzungen dafür sind vom Bundesland abhängig, informiere dich gerne bei den Landesverbänden des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie. Es ist wichtig zu wissen: Nach dem Grundgesetz (GG) ist ein Nachteisausgleich bei einer diagnostizieren Legasthenie immer zu gewähren (GG Artikel 3), völlig unabhängig von den schulrechtlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes.

Diese Fragen können dir helfen, um deinem Kind die nötige Diagnostik, aber auch Förderung zukommen zu lassen. Eine lerntherapeutische Förderung setzt dabei immer an den Teilfertigkeiten des Schriftspracherwerbs an (Buchstabe-Laut-Verbindung, Lautsynthese etc.).

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Möchtest du alles nochmal in Ruhe nachlesen und auf einen Blick „mitnehmen“? Dann lade dir hier meine Zusammenfassung herunter, wo du auf wenigen Seiten kompakt nochmal alle Informationen findest und so die Begriffe LRS und Legasthenie unterscheiden kannst.

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Wichtige Abkürzungen und Begriffe einfach erklärt

ICD steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“, die Ziffer 10 bezeichnet die 10. Revision der Klassifikation

WHO = Weltgesundheitsorganisation (Word Health Organisation)

LRS = Lese-Rechtschreibe-Schwäche, manchmal steht das S auch für Schwierigkeiten oder Störung

Nachteilsausgleich = Das sind Maßnahmen, die den “Nachteil”, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben ausgleichen sollen, wie z. B. ein Zeitzuschlag, bestimmte Hilfsmittel und andere Maßnahmen

 

 

2 Comments

  • Danke für diese verständliche Erklärung des Unterschieds zwischen Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche. Ich stimme dir absolut zu, dass es hierbei jedoch weniger um Begrifflichkeiten, als vielmehr um die richtige Hilfe bei Rechtschreibschwäche geht. Eine ehemalige Mitschülerin hat bei unseren Abiturprüfungen damals auch um einen entsprechenden Nachteilsausgleich gebeten.

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