Wie können Kinder lesen lernen? Und wie kann es gelingen, dass sie die Welt der Buchstaben und Laute spielerisch entdecken, ohne die Motivation zu verlieren? Ich zeige dir, wo du beim Lesen lernen beginnen solltet und welche Übungen euch wirklich weiterbringen.  Bist du in der Leseförderung tätig und arbeitest ehrenamtlich an einer Schule? Auch dann wirst du hier einen roten Faden an die Hand bekommen.

Viel Lesen bringt auch viel?

Neulich rief mich eine Mutter an und wollte Unterstützung für ihre Tochter. Die ganze Familie übe Tag für Tag mit ihr.  Hier 2 Seiten aus der Fibel, da noch eine Seite in einem Buch. Denn Fortschritte würde man doch erst machen, wenn das Kind mindestens 2 Seiten täglich lesen würde, oder? Leider kam das Kind beim Lesen lernen nicht so richtig voran. Manchmal wäre es sogar total blockiert und hätte vergessen wie bestimmte Buchstaben heißen. Kommt dir das bekannt vor? Übt ihr auch bis zum Umfallen und es geht nur schleppend vorwärts? Oder macht dein Kind manchmal riesen Fortschritte und dann klappt wieder überhaupt gar nichts?

Leseförderung ist weit mehr als nur in der Fibel lesen. Meine  besten Tipps, wie Kindern lesen lerne habe ich hier für dich zusammengestellt.

Wo steht das Kind im Leselernprozess?

Was meiner Meinung nach oft fehlt ist eine Analyse des Lernstandes. Das heißt, du als Mutter/Vater, Lehrkraft oder Verantwortliche in der Leseförderung solltest herausfinden, wo im Leselern-Prozess dein Kind im Moment steht. Kennt dein Kind alle Buchstaben? Kann es verschiedene Buchstaben zu Silben zusammenschleifen oder  kann es schon längere Texte und damit Bücher lesen? Wo auch immer dein Kind steht, genau da muss die Leseförderung ansetzen, völlig losgelöst von der Tatsache in welcher Klasse das Kind ist und was es „eigentlich“ können müsste. Denn das eine Kind ist schneller und das andere braucht einfach etwas mehr Zeit.

Weißt du noch wie du Fahrradfahren gelernt hast?

Uns Erwachsenen fällt das Lesen oft so leicht, dass wir uns nicht bewusst sind, welche Schritte beim Lesen lernen wichtig sind. Es ist wie beim Fahrradfahren. Anfangs mussten wir als Kind an tausend Dinge denken, inzwischen steigen wir auf und fahren los. Es läuft im Hintergrund ganz viel automatisch ab, an das wir überhaupt nicht mehr denken. Wir müssen gleichzeitig treten, auf den Verkehr achten, lenken, ggf. bremsen. Heute fällt es uns leicht, aber vielleicht erinnerst du dich an deine Anfänge, wo deine Eltern dich festhalten oder auffangen mussten. Einem Kind, was gerade erst Fahrradfahren lernt, bringen wir erstmal die Grundlagen bei und lassen es noch nicht im Gelände Downhill fahren.

Genauso ist es beim Lesen lernen. Anfangs ist es sehr mühsam und macht daher manchmal etwas weniger Spaß. Wenn dein Kind aber flüssiger und schneller wird, eröffnet sich auf einmal eine ganz neue Welt.

Wo im Haus des Lesens steht dein Kind? Wie können Kinder lesen lernen und dabei Schritt für Schritt erfolgreich sein? Schauen wir uns mal die einzelnen Stockwerke an.

Bewusstheit für Buchstaben, Laute und Reime

Vielleicht hast du schon mal von der phonologischen Bewusstheit gehört und du fragst dich, was hinter diesem Begriff steht. Dabei ist es ganz leicht, denn phonologische Bewusstheit bedeutet:

  • Wörter auf Klangebene zu beurteilen
  • Wörter in Silben teilen
  • Silben erkennen
  • Reime bilden und vieles mehr

Was ist in dieser Phase wichtig: Die Grundlagen dieser Phase werden bereits im Kindergarten gelegt. Kinder lernen ein Gefühl für die Sprache zu bekommen, können Laute unterscheiden, Wörter reimen und tauchen in das Abenteuer Sprache ein.

Empfehlenswerte Übungen

Neben den bekannten Förderprogrammen „Hören, lauschen, lernen“ oder „Holta di Polta“ eignen sich alle Übungen, die Spaß machen und dem Kind ein Gefühl für unsere Sprache vermitteln.

Reimen: Zu einem gegebenen Wort werden abwechselnd Reime genannt. Der Klassiker ist
Haus, Maus, raus, Klaus, Laus, kraus, Staus,… Es können aber auch auf schwierigere Wörter/
Reime gesucht werden.

Silben klatschen: Wie viele Silben hat das Wort Regenwurm? Und welches Wort ist länger:
Regenwurm oder Schlange?

Buchstabe-Laut-Verbindungen

Auf der nächsten Ebene werden die Buchstabe-Laut-Verbindungen geübt. Vermutlich klingt das banal! Denn dein Kind kann ja alle Buchstaben, oder? Oft ist das aber nicht der Fall oder es ist noch nicht mühelos (mein Lieblingszauberwort meiner Dozentin Frau Dr. Küspert). Denn nur wenn dein Kind blitzschnell den Laut zum Buchstaben nennen kann, wird es auch in der Lage sein, erste Silben zu lesen.

Stockt es beim „sch“ und versucht hier Buchstabe für Buchstaben zu „lesen“, dann ist es noch nicht mühelos. Einige Kinder verwechseln auch b und d oder p und q. Welche Übungen sich hier eignen, findest du in meinen Blogpost „b und d unterscheiden lernen“.

 

Was ist in dieser Phase wichtig: Übe mit deinem Kind die Buchstaben immer in Verbindung mit dem dazugehörigen Laut. Also wenn du das „b“ übst, dann sagt dein Kind auch /b/ (wichtig nicht be). Aber woher weiß ich, ob mein Kind schon alle Buchstaben wirklich mühelos kann?

Empfehlenswerte Übungen

Wie kann ich testen, welche Buchstaben, mein Kind schon kann und welche wir üben sollen? Ganz einfach, du schreibst dir eine kleine Tabelle und bittest dein Kind diese Buchstaben schnell zu lesen. Wenn es irgendwo stockt oder kommentiert „jetzt kommt das äh „p“ und dann kommt der Buchstabe l“ dann siehst du, dass dein Kind noch etwas unsicher ist. Die Buchstaben müssen blitzschnell und mühelos abgerufen werden können. Wichtig: Wenn dein Kind ähnlich aussehende Buchstaben immer wieder verwechselt (b und d, p und q) dann übe einen der beiden Buchstaben, übe solange bis er sitzt. Wie das geht, habe ich in meinem Blogpost erklärt.

Buchstaben zu Silben zusammenlauten

Diese Stufe nennt man auch Phonem-Synthese, was nichts anderes bedeutet als das Zusammenschleifen bzw. Zusammenlauten von Silben. Einige Schüler tun sich hier wirklich schwer. Wenn Kinder Lesen lernen, wissen sie manchmal nicht,  dass sich Wörter in einzelne Laute zerlegen lassen. Das sollte nochmal bewusst geübt werden.

Was ist in dieser Phase wichtig: Gib deinem Kind die Zeit, die es benötigt. Schau, ob das Fundament sicher sitzt (Phonologische Bewusstheit, Buchstaben-Laut-Verbindung). Denn wenn dein Kind mit einigen Buchstaben noch Schwierigkeiten hat, wird es einfach raten und nicht lesen.

Empfehlenswerte Übungen

Möchtest du das Zusammenlauten üben, empfehle ich dir folgende Übung: Lege deinem Kind 2 Buchstaben auf den Tisch, fange mit Buchstaben an, die dehnbar sind, also langgezogen werden können. z.B. la, mo. Spreche den ersten Buchstaben so aus, als ob er in die Länge gezogen wird llllllll, dann fügt man den zweiten Buchstaben hinzu lllllaaaaaa. Bleibe dann beim Buchstaben l und nehme weitere Vokale also anstelle des a, den Buchstaben e, i, o oder u. lllllluuuuu.

Das genaue Lesen 

Diese Phase ist enorm wichtig. Hier wird geschaut, ob das Kind eine gute Lesetechnik entwickelt hat. Das Kind lernt beim genauen Lesen Wörter von Anfang bis Ende genau und mühelos zu lesen. Es wird keine Silbe verschluckt, hinzugefügt oder ausgedacht. Wenn Kinder lesen lernen, brauchen sie jemanden, der sie gut begleitet und auch beim genauen Lesen mit viel Verständnis begleitet.

Was ist in dieser Phase wichtig: Das genaue Lesen hat immer Vorrang vor dem schnellen Lesen. Die Phase sollte nicht übereilt übersprungen oder durchlaufen werden, denn die Gefahr besteht, dass das Kind dann rät, insbesondere am Wortende. Gerade wenn am Wortende falsch gelesen wird, hat es Auswirkungen auf das Textverständnis.

Empfehlenswerte Übungen

Auf dieser Ebene legen wir die Bücher noch beiseite, dein Kind würde keine Freude daran haben, sondern nur vermittelt bekommen, Lesen lernen ist mühsam. Hilfreich sind Wortlisten (kurze häufige Wörter), lautgetreue Wörter, aber auch Wörter, wo genaues Leben eine große Rolle spielt. Lies mal das Wort „Eisentürenriegel“, viele Kinder raten hier und lesen nur Eis und  ein ü und vermuten daher eine Eistüte. Wichtig ist hier aber Silbe für Silbe genau zu lesen und auch Wörter zu nehmen, die länger sind und nicht so ganz alltäglich sind. Es empfehlen sich auch Quatschwörter wie Lasomeno oder Filisano. Der riesen Vorteil liegt auf der Hand: Das Kind kann nicht raten, es kann sich nicht anhand der ersten Buchstaben überlegen, welches Wort hier möglicherweise gemeint ist.

Schnelles Lesen lernen

Jetzt sind wir auf der Stufe des schnellen Lesens. Schnelles Lesen motiviert, Lesen macht hier total viel Spaß, aber Achtung, wenn dein Kind noch nicht genau liest, besteht die Gefahr, dass es beim schnellen Lesen ungenau wird. Insbesondere die Wortenden werden dann verschluckt oder es wird geraten. Man möchte doch so gerne schneller werden. Aber erst muss genau gelesen werden, dann wird schnell gelesen.

Wenn dein Kind anfängt zu raten, dann geht lieber nochmal einen Schritt zurück und übt das genaue Lesen. Seid geduldig.

Was ist in dieser Phase wichtig: In dieser Stufe empfiehlt es sich erste Bücher zu lesen, denn das macht jetzt richtig Spaß. Lesen ist jetzt nicht mehr mühsam. Dein Kind kann jetzt in die Welt der Bücher eintauchen. Aber schaut immer gemeinsam, ob deinem Kind das Buch auch wirklich gefällt und es Interesse zeigt. Nichts ist langweiliger als ein Buch zu einem Thema, was einen gar nicht interessiert. Dein Kind sollte regelrecht Lust haben und es gar nicht erwarten können, mehr Lesestoff zu bekommen. Natürlich spielt die Lesemotivation eine große Rolle. Vielleicht liest dein Kind lieber am Computer/Tablett, auch hier gibt es tolle Übungen. Schau doch auch gerne mal bei Legakids rein. Die Leserätsel finde ich sehr gelungen.

Empfehlenswerte Übungen

Damit dein Kind anfangs nicht überfordert ist, empfehle ich Bücher, die „leichter zu lesen“ sind. Beispielsweise sind die Kapitel gut strukturiert, die Schrift etwas größer und die Texte nicht zu lang. Auch das Thema des Buches spielt eine wichtige Rolle, wenn Kinder lesen lernen, denn interessiert sie ein Thema, haben sie viel mehr Lust im Buch weiterzulesen.

Welche Bücher ich empfehle zeige ich dir in meiner kostenlosen Liste von „Lust auf Lesen“. Außerdem bekommst du die Checkliste „So erkennst du ein Buch für leseschwache Schüler“ obendrauf.

Leseverständnis – so lernen Kinder lesen

Jetzt ganz oben angekommen, üben wir das Leseverständnis. Die Kindern verstehen auch schon vorher, was sie lesen, aber jetzt ist der perfekte Zeitpunkt gekommen, gezielte Lesestrategien einzuüben. Zum Leseverständnis gehören Übungen, um Schlüsselwörter im Text zu erkennen, anhand der Überschrift schon erste Ideen zum Text zu sammeln und Bilder richtig zu interpretieren. Die Schülern  verfeinern und vertiefen ihre Strategien mit gezielten Übungen. Es ist wichtig, dass sie diese Strategien zum Verständnis später automatisiert anwenden können.

Wie du siehst, Lesen kann richtig Spaß machen, du musst nur wissen, auf welcher Etage vom Haus dein Kind steht und wo du die  Förderung deines Kindes in die Hand nehmen kannst.

Deine Liste „Lust auf Lesen“ für 0 Euro. 

Ist dein Kind schon auf der Ebene des schnellen Lesens? Dann hol dir unbedingt meine Übersicht „Lust auf Lesen“ für 0 Euro. Die Checkliste „So erkennst du ein Buch für leseschwache Schüler“ bekommst du obendrauf.

Lust auf Lesen!

 

 

 

2 Comments

  • Ich schicke meine Tochter zum Logopäden. Einer hat sie deutliche Defizite, auch was das Lesen anbetrifft. Daher finde ich es interessant, dass zu viel Lesen auch nicht gerade förderlich ist.

    • Ich arbeite mit einigen Logopäden eng zusammen und viele sind dankbar über das ergänzende Wissen zu Legasthenie von uns Lerntherapeuten.

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